1961 wohnt die dreizehnjährige Karin mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder am Rand von Hamburg in einer Behelfssiedlung. Wie andere Gleichaltrige geht sie in der Elbe baden, probiert die erste Schminke aus und schwärmt für einen Jungen. In dieser Idylle liest sie ein Buch über die Verfolgung jüdischer Kinder. Sie stellt sich vor, wie sie selbst damals Kinder gerettet hätte. Als sie ihre Mutter auf deren Rolle im Krieg anspricht, reagiert diese abweisend und ärgerlich und weist jedes Mitwissen an der Judenverfolgung von sich. Dann bricht die grosse Sturmflut über Hamburg herein. Karin und ihre Familie überleben die Katastrophe knapp, ihre alte Siedlung ist zerstört, viele Nachbarn sind tot, die Familie kommt in eine neue Wohnung, in einen Block. Karin findet in einem Familienalbum Fotos, die darauf hindeuten, dass ihr Vater an einer Hinrichtung von Freischärlern beteiligt war. Es gelingt ihr nicht, mit ihren Eltern darüber zu sprechen, und sie wendet sich stattdessen an Sigrun, ihre neue Freundin. Aber auch dieses Gespräch scheitert, da Sigrun ebenfalls unter einem Tabu leidet.
Ein sehr eindrückliches Buch, das bereits 2010 unter dem Titel «Ringel, Rangel, Rosen» erschienen ist. Kirsten Boie zeigt meisterhaft, wie schwierig die Auseinandersetzung mit verbrecherischem Kriegsgeschehen für alle ist. Es zeigt auch das grosse Wissen der Autorin über jene Zeit. Im Zentrum steht Karin, die sich immer heftiger gegen ihre Eltern auflehnt, ohne dass diese den wahren Grund der Rebellion kennen. Das Buch ist eine anspruchsvolle Lektüre, Kriegserinnerungen mischen sich mit der Flutkatastrophe zu einem irrlichternden Tanz. Sicherlich sehr geeignet, um in der Schule die Nachkriegszeit zu behandeln. Die plattdeutschen Ausdrücke lassen sich mit dem Internet übersetzen und man findet auch Bilder von der «doven Elbe» und der überschwemmten Behelfssiedlung bei Hamburg. Dieses Nachforschen macht Spass, hindert aber eine schnelle Lektüre. Bernhard Siegenthaler

